Gleichzeitig werden – Stichwort Industrie 4.0 – veränderte Anforderungen an Werkzeugmaschinen wie auch und vor allem an die Mitarbeiter gestellt. Wie reagiert HELLER auf diese Entwicklung?
Maier: Die Grenzen zwischen Mechanik und Elektrik sind fließender geworden. Das hat beispielsweise zu dem Ausbildungs- und Studiengang Mechatronik geführt. Heute ist ein vertieftes Verständnis beider Komplexe unumgänglich. Gleichzeitig aber hebt das nicht das Spezialistentum auf, denn auch ein Mechatroniker wird sich früher oder später entscheiden müssen, auf welches Gebiet er sich letzten Endes konzentriert. Wichtig dabei ist die Kommunikation untereinander.
Winkler: Zudem kommt mit der Informatik noch eine dritte Fakultät mit an den Tisch. Entscheidend für den Erfolg ist aber die Teamleistung. Und unsere Aufgabe ist es, den Austausch und den Teamgedanken zu fördern.
Wie wird das alles zukünftige Maschinenkonzepte beeinflussen?
Maier: Die mechanische Auslegung von Werkzeugmaschinen, so denn Forderungen wie hohes Zerspanvolumen und höchste Präzision an diese Maschinen gestellt werden, ist physikalischen Gegebenheiten unterworfen, die sich auch in Zukunft nicht grundsätzlich von den heutigen Standards unterscheiden werden. Änderungen dürften sich vor allem im Umfeld der integrierten Sensoren und Aktoren ergeben. Die Werkzeugmaschine wird damit immer mehr zu einem Bestandteil übergreifender Systeme.
Welchen Stellenwert hat der Standort Nürtingen?
Winkler: Bis zum heutigen Tag einen sehr hohen. Nürtingen ist noch immer der größte Einzelstandort. Nürtingen verfügt über enormes Erfahrungswissen. Nürtingen ist Entwicklungsstandort, Nürtingen unterstützt aber vor allem die weltweiten Markteinheiten. Gleichzeitig bin ich mir aber auch sicher, dass sich mittelfristig die Gewichtung innerhalb der HELLER Gruppe verschieben wird …
… in welche Richtung?
Winkler: Wir werden unsere Belegschaft verstärkt in den Regionen, in denen unsere Kunden sitzen, ausbauen. Wir generieren heute 30 Prozent unseres Geschäftes in Deutschland, aber 70 Prozent unserer Mitarbeiter arbeiten hier. Ich gehe davon aus, dass es langfristig schwierig sein wird, selbst diesen Umsatzanteil von 30 Prozent in Deutschland zu erreichen. Deshalb glaube ich, dass unser Personalwachstum künftig woanders stattfinden muss. Das muss und wird aber überhaupt nicht zulasten des Standortes Nürtingen gehen, sondern soll den Standort hier sogar stärken. Dass dies möglich ist, zeigt die Vergangenheit. Trotz der zunehmenden Internationalisierung und des Aufbaus von Produktionswerken in verschiedenen Weltregionen sind die Mitarbeiterzahlen am Standort Nürtingen konstant geblieben.
Wie hoch ist eigentlich die Fertigungstiefe bei HELLER?
Maier: Die elektrischen Komponenten bis hin zur Steuerung sind Zukaufteile wie auch Konstruktionselemente wie Lager oder Führungen. Für alle anderen Teile gilt die Aussage: „HELLER hat die Fähigkeit, das alles in Eigenregie herzustellen, aber nicht die Kapazität.“ Soll heißen, dass wir auch bestimmte Fertigungsteile zukaufen. Aber: Alle qualitätsbestimmenden Komponenten und Baugruppen wie beispielsweise Rundtische und Spindeleinheiten kommen aus unserem Haus. Dabei ist festzuhalten, dass wir sogar Teile, die wir früher zugekauft haben, wieder in Eigenregie herstellen.
Viele der Wettbewerber haben inzwischen additive Verfahren in ihre Maschinen integriert. Wie sieht das bei HELLER aus?
Maier: Prinzipiell gehört das Beschichten von Zylinderlaufbahnen in den Bereich additive Fertigung. Rechnet man das mit ein, dann ist HELLER im Werkzeugmaschinenbereich der mit Abstand größte Integrator additiver Verfahren. Soll heißen, wir sind durch CBC (CylinderBoreCoating) der Weltmarktführer in Sachen Additive Manufacturing und können zudem die Erfahrungen, die wir bei dem CBC-Verfahren gewonnen haben, durchaus bei anderen Aufgabenstellungen nutzen. Für uns ist Additive Manufacturing eine Ergänzung unserer Angebotspalette und nicht mehr, denn wie schon angedeutet ist HELLER in der Produktion zuhause. Mit additiven Verfahren ist es in aller Regel unmöglich, in Produktionsstückzahlen zu fertigen. Im Übrigen auch nicht in der von uns erwarteten Präzision.
Wohin entwickelt sich HELLER in den nächsten Jahren?
Winkler: Unsere Zielrichtung ist ganz eindeutig weiteres Wachstum – und das weltweit. Dafür müssen wir unser Produktprogramm noch weiter verbreitern, neue Kundenkreise akquirieren und gleichzeitig unsere Partnerschaft mit der Automobilindustrie weiter festigen.
Wo sehen Sie die Märkte der Zukunft?
Winkler: Ganz eindeutig in Asien und trotz der jüngsten Meldungen auch und vor allem in China. Denn obwohl China inzwischen der bedeutendste Markt für Automobile ist, ist dort die Fahrzeugdichte nicht annähernd so hoch wie in den USA oder Europa. Das heißt, dass es dort auch in Zukunft noch einen gewaltigen Bedarf gibt. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die Industrialisierung noch bei weitem nicht ausreicht, um den Lebensstandard zu steigern und dadurch stabile politische Verhältnisse sicherzustellen. Auch das schafft der internationalen Werkzeugmaschinenindustrie weitere Absatzmöglichkeiten.
Maier: Ausgehend vom möglichen Geschäftsvolumen ist Asien in Sachen Werkzeugmaschinenverbrauch noch viele Jahre die absolute Nummer eins. Aber wenn es uns gelingt, auch in den USA außerhalb der Automobilindustrie einen vergleichbaren Anteil wie hier in Europa zu erreichen, dann ist auch Nordamerika für HELLER ein wichtiger Wachstumsmarkt.
HELLER begeht im Frühsommer das 125-jährige Firmenjubiläum. Welche Aktivitäten sind hierfür geplant?
Winkler: Zentrale Veranstaltung ist der Jubiläumstag Anfang Juli. Dort wollen wir mit unseren Mitarbeitern und ihren Angehörigen gemeinsam feiern. Von Mai bis Oktober dieses Jahres zeigt das Stadtmuseum Nürtingen eine Sonderausstellung zum Jubiläum.