TEXT Manfred Lerch FOTOS HELLER
Mit Dampf in die digitale Zukunft
Seit über 200 Jahren erlebt die Industrie einen stetigen Wandel. Tiefgreifende Veränderungen im technologischen Fortschritt sowie der Arbeits- und Sozialordnung werden heute als industrielle Revolutionen bezeichnet und in vier Phasen unterschieden. Drei dieser Revolutionen liegen bereits hinter uns und wir befinden uns derzeit in der vierten Phase. Eine Zeitreise durch die industriellen Epochen zeigt, was moderne Technologie und Produktion verändert haben. HELLER wurde in der zweiten industriellen Revolution gegründet, war ab diesem Zeitpunkt kontinuierlich fester Bestandteil der Produktion im Welt-Industrie-Geschehen und entwickelte sich deshalb sehr schnell zum erfolgreichen und global agierenden Maschinenbaubetrieb.
Industrie
1.0
Industrie 1.0 – die Geburt der Dampfmaschine führt zur Industrialisierung
Der Beginn des Industriezeitalters wird um 1800 Joseph-Marie Jacquard mit der Erfindung des ersten automatischen Webstuhles zugeschrieben, einem Vorboten der industriellen Revolution. Die Umgestaltung der Arbeits- und Sozialordnung, sprich die erste industrielle Revolution findet in Deutschland allerdings erst nach 1830 in kleineren industriellen Zentren wie z. B. dem Ruhrgebiet statt. Von Hand betriebene Webstühle, mechanische Produktionsanlagen und Wasser- und Dampfkraft kennzeichnen diese Epoche. Wasserkraft gilt als Primärenergie, die Dampfmaschinen stellen die ersten Motoren dar, die vermehrt in Fabriken eingeführt werden und die Industrialisierung maßgebend vorantreiben. Diese Industrialisierung findet überwiegend in der Dampfschifffahrt, der Eisenbahnindustrie, dem Kohleabbau, in Textilfabriken sowie der Schwerindustrie statt. Speziell die Eisenbahnen gewinnen schnell als neues Transport- und Verkehrsmittel an Bedeutung und sorgen in vielen anderen Bereichen für eine große Nachfrage. Die neuartigen Maschinen führen zu einer enormen Verbesserung der Arbeitskraft. Die Menschen werden allerdings zu Maschinenbedienern und müssen sich organisatorischen Vorgaben fügen.
Industrie 2.0 – Massenproduktion mit Elektrizität
Die zweite industrielle Revolution beginnt mit der Einführung der Elektrizität und wird durch Massenproduktion geprägt. Henry Ford installiert bereits 1913 ein permanentes Fließband und so die erste „moving assembly line“. Damit wird es möglich, die Produktion auf das Achtfache zu steigern. Als Erfolgsfaktoren zu dieser Zeit gelten aber auch die ersten Schritte in die Globalisierung. Der Verkehr entwickelt sich erstmals über Kontinente, die Luftfahrt nimmt ihren Betrieb auf und Schiffe überqueren die Weltmeere.
Der Einstieg und Ausbau zum global agierenden Unternehmen
HELLER wird 1894 in der zweiten industriellen Revolution von Herrmann Heller als „Hermann Heller Handelsgeschäft und Fabrikation in geschützten Artikeln und Uhrmacherwerkzeugen“ in Nürtingen gegründet und ist ab diesem Zeitpunkt kontinuierlicher Bestandteil der Produktion im Welt-Industrie-Geschehen. Bereits 1898 beginnt man in Nürtingen mit der Entwicklung von Kaltkreissägen für Metalle, Sägeblatt-Schärfmaschinen und Gewindeschneidapparaten. In den 1920er Jahren exportiert HELLER erstmals ins europäische Ausland und nach Übersee. Anfang der 40er Jahre genießt HELLER mit Fräsmaschinen zur Kurbelwellenbearbeitung sowie Sonderfräsmaschinen inklusive hydraulischer Steuerungen einen ausgezeichneten Ruf.
Die Maschinentechnik wird in den Folgejahren konsequent weiterentwickelt und Fertigungsstraßen werden nach dem Baukastensystem zusammengestellt. 1962 fertigt HELLER numerisch gesteuerte Fräsmaschinen und Bearbeitungszentren mit automatischem Werkzeugwechsel. Komplexe Arbeitsgänge werden so auf einer Maschine möglich. Interessant ist dabei, dass diese Maschinen auch bereits für die eigene Fertigung eingesetzt werden.
Industrie 3.0
Industrie 3.0 – Computer und Automatisierung halten Einzug
Die dritte industrielle Revolution beginnt in den 1970er Jahren. Mehr und mehr übernehmen Maschinen die Arbeit. Personal-Computer für Büro und Haushalt schaffen einen neuen Industriezweig. Im Bereich Maschinenbau lösen NC-Steuerungen den Lochstreifen ab. Einstellungen werden nicht mehr per Hand, sondern von Programmen übernommen. Aber auch die Maschinen- und Betriebsdatenerfassung, CAD/CAM, Vernetzung und Digitalisierung werden bereits dieser Evolutionsstufe zugeschrieben. Ziel ist es damit, Gesamtdaten zu sammeln, zu komprimieren und jedem zur Verfügung zu stellen. Der Weg vom Kopf-Wissen zum digitalen Wissen kann also durchaus der Phase der Industrie 3.0 zugeschrieben werden.
Pionier in Sachen CNC/NC-Steuerung
In dieser Phase setzt auch HELLER sowohl in der eigenen Fertigung wie auch kundenspezifisch mit Neu- und Weiterentwicklungen Maßstäbe in der Zerspanungstechnik. Numerisch gesteuerte Prozesse lösen die mechanischen ab und lassen so den ersten Automatisierungsgrad entstehen. HELLER gilt in diesem Bereich als ein absoluter Vorreiter und Pionier mit der eigens entwickelten uniPro-Steuerung. Mit der NC-Technik und der späteren CNC-Technologie erreicht HELLER eine deutlich schnellere und präzisere Bewegung von Werkzeugen und Werkstücken. Die Programmierung, Bearbeitungsprogramme oder auch die mannlose Fertigung erreicht in dieser Zeit bereits einen Höhepunkt und kennzeichnet den Start in Industrie 4.0. Bei den Maschinen beginnt HELLER Mehrspindelköpfe einzuführen, um mehrere unterschiedliche Werkzeuge gleichzeitig einzusetzen. Ab den 1970er Jahren sind in der Produktion von Flugzeug-Bauteilen zahlreiche horizontale 4-Spindel-CNC-Fräsmaschinen von HELLER im Einsatz. 1982 werden die Bearbeitungszentren BEA mit der neuen CNC-Technik HELLER uniPro NC 80 in Serie produziert. Die globale Ausrichtung unterstreicht HELLER 1974 mit Gründung der Werke in England und Brasilien sowie 1982 in den USA.
Industrie 4.0 – die digitale Revolution
Industrie 4.0 ist zunächst eine von der deutschen Bundesregierung ausgerufene Vision. Eine Vision, die auf Entwicklungen von Industrie 3.0 basiert und so lediglich als konsequente Weiterentwicklung gilt. Damit wird nicht nur die industrielle Entwicklung weiterer Technologien beschrieben, sondern auch die geänderte Produktions- und Arbeitswelt. Mit sozialen Netzwerken und dem Internet sind wir weltweit vernetzt. Bis 2020 werden etwa drei Millionen Roboter in der Industrie zum Einsatz kommen. Bezogen auf die Zerspanungstechnik betrachtet man heutzutage die Fertigung als Gesamteinheit, für die alle benötigten und erzeugten Daten digital, also papierlos zur Verfügung stehen. Diese Transparenz inklusive der Cloud-Themen ist zwar in Industrie 4.0 verpackt, begonnen hat man damit aber schon vor zwei Jahrzehnten.
Zeitnah, transparent und bedarfsgerecht als Mehrwert für die Zukunft
Mit den neuen Industriestandards für Datenaustausch konzentriert sich HELLER auf eine noch höhere Maschinenproduktivität und die Unterstützung durchgängiger Engineering-Ketten. Mit ergänzenden Maschinenfunktionalitäten, zeitnahen und bedarfsgerechten Dienstleistungen sowie erweiterten Servicemöglichkeiten legt HELLER den Fokus bei den Anwendungen nicht nur auf den Lebenszyklus, sondern auf alle Hauptbetätigungsfelder einer Werkzeugmaschine. Neben dem Service für eine hohe Verfügbarkeit sind das auch der Betrieb (Operation) und die Leistungsoptimierung (Performance) einer Werkzeugmaschine. Außerdem sieht HELLER mit Industrie 4.0 die Möglichkeit, mehr Transparenz in den aktuellen Maschinenzustand zu bringen und gewonnene Informationen mit bereits vorhandenen Daten zu einer zielgerichteten Diagnose auszuwerten. Das heißt, HELLER hat diese Potenziale schon sehr früh erkannt, um Mehrwert für den Kunden zu generieren.
Als Revolution wird ein grundlegender und nachhaltiger struktureller Wandel eines oder mehrerer Systeme bezeichnet, der meist abrupt oder in relativ kurzer Zeit erfolgt. Als gegensätzlich gilt hier der Begriff Evolution, weil dadurch langsam ablaufende Entwicklungen beziehungsweise Änderungen ohne radikalen Wandel beschrieben werden. Betrachtet man den Wandel in der industriellen Fertigung, kann deshalb eigentlich nicht von Revolutionen, sondern eher von Evolutionen gesprochen werden, denn einerseits vergingen beispielsweise von Industrie 1.0 bis 2.0 nahezu 100 Jahre. Andererseits wurden in den einzelnen Epochen in fließenden Übergängen schon wesentliche Grundsteine für künftige Entwicklungsphasen gelegt.