Ende 2018 wurde bei HELLER die Abteilung SNSE als Support- und Engineering-Team ins Leben gerufen. Das Ziel dieses neuen Teams ist es, speziell für Anfragen aus dem europäischen Flächenmarkt die Reaktionszeiten für den Kunden von der ersten Anfrage bis zur Ausarbeitung eines konkreten Angebotes so gering wie möglich zu halten. Der Aufgabenbereich der Abteilung gliedert sich in drei Themenfelder: die Maschinenfestlegung und Definition der benötigten Maschinenoptionen, die Ausarbeitung der Bearbeitungsprozesse bzw. der dafür passenden Bearbeitungsstrategie und die visuelle Darstellung sowie in einem dritten Schritt die Durchführung von Taktzeitberechnungen.
TEXT Manfred Lerch FOTOS Tina Trumpp
Ein Kunde zerspant zu 90 Prozent Aluminium und wollte deshalb in eine Maschine mit einer Arbeitseinheit SC63 mit 16.000 min−1 investieren. Neben dieser Aluminium-Bearbeitung sollten allerdings auch Werkstücke aus Stahl gefertigt werden. Das Ergebnis der Spindelleistungsuntersuchung durch SNSE anhand von Werkzeugen und Schnittdaten, die der Kunde aus seiner aktuellen Fertigung zur Verfügung stellte, zeigte, dass diese Bearbeitung an die Grenze der Spindelleistung stieß. Deshalb wurde dem Kunden eine andere Bearbeitungsstrategie für Stahl empfohlen – eine Empfehlung, die zwar eine Erhöhung der Werkzeuge von drei auf vier erforderte, aber zu einer wesentlichen Zeitersparnis und geringeren Spindelbelastung führte.
Häufig steht die Abteilung SNSE vor der Situation, dass ein Kunde eine bestimmte Maschine wünscht. Das Beispiel, in dem zunächst ein 5-Achs-Fräs-Dreh-Bearbeitungszentrum in Betracht gezogen wurde, macht deutlich, wie sinnvoll und gleichzeitig wirtschaftlich hier Analysen und Bewertungen sind. Im konkreten Fall ergab die Untersuchung, dass für ein spezielles Werkstück der Einsatz der HELLER Planzuglösung in einem 4-Achs-Bearbeitungszentrum die wirtschaftlichere Lösung ist.
Das Engineering beginnt bei HELLER bereits in der Angebotsphase. Denn die Auslegung von Bearbeitungsprozessen, Spannvorrichtungen und Werkzeugen sowie Maschinenfestlegungen und Taktzeitberechnungen sind häufig die Basis für ein bestellfähiges Angebot. Bisher gibt es dafür bei HELLER vier Teams, die auf Kurbelwellen, prismatische Motorenteile, Bauteile für Getriebe und Achsen und Bauteile aus den Bereichen Hydraulik, Maschinenbau, Land- und Baumaschinen etc. spezialisiert sind und Projekte weltweit bearbeiten. Mitte 2018 entstand bei HELLER die Idee, eine marktnahe Applikationsabteilung für den europäischen Flächenmarkt zu installieren, die der Geschäftseinheit „Sales and Services Europe“ zugeordnet ist. Die Ende 2018 gegründete Abteilung besteht mittlerweile aus vier Mitarbeitern, die zum Teil über 25 Jahre HELLER Erfahrung mitbringen. Ziel dieser Abteilung ist es, mit Voruntersuchungen vor allem Reaktionszeiten zu reduzieren. Konkret geht es dabei zu Beginn eines Bedarfsfalles um die Maschinenfestlegung. Das heißt, SNSE bekommt vom Kunden das zu fertigende Werkstück plus Daten und den Wunsch nach einer geeigneten Maschine. Atilla Yurtseven, Leiter der Abteilung SNSE und sein Team untersuchen Störkonturen und empfehlen dann je nach Größe und Bearbeitungsanforderungen des Werkstücks eine passende Maschine für die 4- oder 5-Achs-Bearbeitung. Das Ergebnis bzw. die Bewertung wird inklusive sinnvoller Optionen, wie beispielsweise die entsprechende Spindel oder Softwareoptionen, an den Vertrieb weitergegeben.
Analysen und Empfehlungen auch hinsichtlich der Bearbeitungsstrategien
In der zweiten Stufe geht es darum, das Ergebnis visuell darzustellen. Dazu zählen eine 3D-Untersuchung des Arbeitsraumes unter Berücksichtigung des Werkstücks, kompletter Spannvorrichtungen und, wenn gewünscht, erste Bearbeitungsstrategien. Diese werden zunehmend gefordert, denn meist bearbeiten die Kunden die Bauteile noch nicht und möchten deshalb Vorschläge hinsichtlich der Anzahl an Aufspannungen oder möglicher sequenzieller Prozesse erhalten. Die Basis für diese Untersuchung bilden die Maße des Werkstücks sowie die vorgegebenen Toleranzen, um einen sinnvollen und effizienten Prozess darzustellen. So war zum Beispiel der Wunsch eines Kunden eine Komplettbearbeitung auf mehreren redundanten Bearbeitungszentren in einer Aufspannung, um Rüstzeiten einzusparen und schnelle Durchlaufzeiten zu erzielen. Die Analyse und Berechnung von SNSE ergab, dass für das Werkstück ca. 50 Werkzeuge notwendig waren. Die weiteren Untersuchungen ergaben aber auch, dass die Bearbeitung in einer Aufspannung wegen möglicher vorrichtungsseitiger Störkonturen und dem daraus resultierenden Einsatz relativ langer Werkzeuge in den hohen Stückzahlen nicht ohne Kompromisse durchgeführt werden konnte. Empfohlen wurde vom SNSE-Team deshalb ein sequenzieller Prozess, um die Zugänglichkeit am Werkstück (Werkzeuglängen), den Bearbeitungsprozess und somit die Bearbeitungszeit zu optimieren.
Des Weiteren lässt sich mit diesem Ansatz die Gesamtinvestition in Werkzeuge drastisch reduzieren, weil diese nicht in allen Bearbeitungszentren vorgehalten werden müssen.
Im dritten Schritt folgt dann durch die Abteilung SNSE die Taktzeitberechnung. Hier ist man auch in der Lage, für komplexe Bauteile aus den Bereichen Werkzeug- und Formenbau und Aerospace den Bearbeitungsprozess im CAD/CAM-System zu simulieren. In einem konkreten Fall ging es beispielsweise um eine komplexe Formplatte, die aus dem Vollen bearbeitet wird. Dabei spielten sowohl die Werkzeugtechnologie und die Schnittdaten als auch die Programmierstrategie eine große Rolle. Dieses Bauteil wurde im CAD/CAM-System simuliert. Um die Prozessdaten zu verifizieren, wurde eine Testbearbeitung in Kooperation mit Werkzeugpartnern im HELLER eigenen TechnologieCenter durchgeführt.
Produkt- und Prozesswissen für eine optimale Auslegung
Die Aufgaben gestalten sich sehr unterschiedlich. Je nach Anforderung reicht das Spektrum von der „nackten“ Maschine bis hin zur kompletten Turnkey-Lösung, für die ab einer bestimmten Komplexität die Unterstützung der zentralen Applikationsabteilung genutzt wird. Eine unterschiedliche Vorgehensweise wird auch notwendig, wenn es beim Kunden um neue Werkstücke geht. Auch hier ist die Abteilung SNSE bereits in einer frühen Phase integriert. Im Gegensatz dazu wünschen Kunden allerdings häufig auch eine neutrale Bewertung für eine bestehende Bearbeitung. Bei diesen Bedarfsfällen bringt der Kunde seine Erfahrungen ein und das SNSE-Team startet bei null. Ziel ist es dann, am Ende der Auswertung die bestmögliche Schnittmenge zu finden. Meist führen solche Konstellationen zu sehr positiven Ergebnissen. Denn auf der einen Seite bestehen die Erfahrungen des Kunden mit dem Werkstück, andererseits beschäftigt sich das SNSE-Team mit aktuellem Prozess-Know-how.
Zusammenfassend ist die Abteilung SNSE also ein Support- und Engineering-Team, das die Vorstellung des Vertriebs, welche Maschine zu welchem Werkstück bzw. Kunden passt, auf Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit untersucht. Zusätzlich werden Bearbeitungsstrategien und Spannkonzepte entwickelt, Toleranzanalysen und Taktzeitberechnungen durchgeführt. Das heißt, im Rahmen solcher Bedarfsfälle setzen HELLER Kunden neben dem Einsatz hochwertiger Zerspanungsmaschinen effiziente Produktionsprozesse voraus. Es wird erwartet, dass Produkt- und Prozesswissen zur Verfügung gestellt und bereits bei der Angebotserstellung eingebracht wird, um die gewünschten Stückzahlen mit einer entsprechenden Qualität zu fertigen.