TEXT Lukas Schult FOTOS Tina Trumpp
Unzählige Filmrollen, zahlreiche Maschinenmodelle filigran gefertigt aus Holz, altes Kantinengeschirr und jede Menge Ordner mit historischen Bildern und Dokumenten. 125 Jahre HELLER bedeuten auch hinter den Kulissen viel Arbeit und jede Menge Herzblut, um die lange und erfolgreiche Firmengeschichte lebendig zu halten. Da braucht es einen geschulten Blick und viel Fachwissen rund um die Geschichte des traditionsreichen Nürtinger Werkzeugmaschinenbauers.
All das verkörpert Ellen Euchner (rechts im Bild). Die 64-Jährige ist seit knapp 50 Jahren beim Unternehmen. Zunächst als Fotolaborantin und dann in der Büro-Organisation, wo sie unter anderem für die Hauspost zuständig ist. Doch nebenbei kümmert sie sich seit 1995 federführend und mit viel Leidenschaft um das Unternehmensarchiv. Damit ist sie auch Herrin über mehrere hunderttausend Dokumente und Objekte aus über einem Jahrhundert Firmengeschichte. Im Zuge der Sonderausstellung „Beim Heller g’lernt“, die vom Stadtmuseum Nürtingen kuratiert wurde und noch bis zum 13. Oktober zu sehen ist, arbeitete Ellen Euchner eng mit der Museumsleiterin Angela Wagner-Gnan zusammen. Die Leiterin des Stadtmuseums ist eine ausgewiesene Expertin, wenn es um die Geschichte der Industrie und speziell des Maschinenbaus in Württemberg geht. „Der Werkzeug- und Maschinenbau erzeugte, allgemein gesprochen, den großen Industrialisierungsschub in Württemberg und ganz Deutschland“, so die studierte Volkskundlerin. Das Erfolgsgeheimnis von HELLER beschreibt die Museumsleiterin so: „In der Rückschau beruht das Erfolgsprinzip auf zwei Komponenten. Zum einen auf innovativen Ingenieursleistungen und zum anderen auf der starken Berücksichtigung des Verkaufs- und Marketingaspekts.“ Denn schon der technisch geniale Firmengründer Hermann Heller holte mit seinem Bruder Ernst im Jahr 1900 kaufmännischen Sachverstand ins Unternehmen. Dieser Dualismus zeichnete sich auch in den kommenden Unternehmergenerationen fort. „Berndt war der Innenminister und ich der Außenminister“, sagte Hubert Heller einmal und meinte genau diese Mischung aus verschiedenen Kompetenzen und Blickwinkeln in der Führung, die das Unternehmen erfolgreich machten.
Das Archiv im Kopf
Um all dies zu dokumentieren und für kommende Generationen zu erhalten, braucht es viel Herzblut, Sachverstand und Begeisterung für die Geschichte von HELLER. Wie gut, dass es Ellen Euchner gibt, die getrost als gute Seele von HELLER in Nürtingen bezeichnet werden kann. Euchner stieg 1970 mit einer Ausbildung zur Fotolaborantin im damals noch werkseigenen Fotolabor ein und blieb der Firma immer treu. „Ich bin mit Heller aufgewachsen. Mein Vater arbeitete sein ganzes Arbeitsleben hier und auch mein Mann hat 38 Jahre für Heller gearbeitet.“ Da war der Weg vorgezeichnet. Steigt man mit ihr auf den Dachboden hinauf, wo sich das umfassende Archiv befindet, so erfährt man viel Wissenswertes aus 125 Jahren Firmengeschichte. Ellen Euchner weiß zu allem und jedem eine kleine Geschichte zu erzählen. „Was mich besonders freut ist auch, dass das Archiv immer Bestand hatte. Wir mussten öfter umziehen, aber die Auflösung war nie ein Thema“, so Euchner. Archiviert wird im Prinzip alles: von Gemälden aus der Gründungsphase und Produktbroschüren aus allen Jahrzehnten bis hin zu altem Kantinengeschirr oder historischen medizinischen Objekten vom werksärztlichen Dienst. Doch die Leidenschaft von Ellen Euchner ist und bleibt die Fotografie. Das merkt sofort, wer mit ihr spricht. „In unzähligen Notizbüchern ist ganz genau dokumentiert, wo welche Bilder zu finden sind und was darauf zu sehen ist. Das ist im Prinzip der ‚Computer‘ des Archivs“, sagt sie.
Mit einem weinenden Auge in den Ruhestand
Aber wer sich so lange mit der Historie eines Unternehmens beschäftigt, der weiß, wo was steht und muss nicht erst mühsam suchen. Genau dies kam Angela Wagner-Gnan und ihrem Team vom Stadtmuseum Nürtingen zugute. Die Kuratorin, die das Museum seit 1987 leitet, hatte mit Ellen Euchner die perfekte Partnerin an ihrer Seite. „Wann immer Bilder oder andere Objekte in der Konzeptionsphase benötigt wurden, konnte ich mich auf Frau Euchner verlassen“, hebt Wagner-Gnan die gute Zusammenarbeit der beiden Damen hervor. Doch für eine von beiden wird die Ausstellung wohl vorerst das letzte große Projekt sein. Ellen Euchner wird nach fast einem halben Jahrhundert in Diensten von HELLER im Dezember in den Ruhestand gehen. Doch die Jubiläumsausstellung war ihr noch wichtig: „Das Jubiläum mit der Ausstellung ist ein schöner Abschluss meiner aktiven Zeit bei Heller. Das Jubiläumsjahr 2019 war mein bestes Jahr hier“, schmunzelt die Mitsechzigerin, die aber mit einem weinenden Auge geht, wie sie betont. Dabei besteht kein Zweifel, dass sie fehlen wird, dass das wandelnde Archiv fehlen wird. An einer zukunftsfähigen Lösung wird aber bereits gearbeitet. Denn auch zukünftige Erfolgsgeschichten wollen dokumentiert werden.