INTERVIEW Jacqueline Rost
FOTOS HELLER USA
Der Markt in den USA
und wie HELLER darauf reagiert
Seit HELLER 1982 seine Tätigkeit in den Vereinigten Staaten aufgenommen hat, hat sich einiges getan – sowohl beim Unternehmen selbst als auch in den Zielmärkten und -branchen von HELLER. Wir haben mit Kenneth Goodin, CEO von Heller Machine Tools L.P., darüber gesprochen, welche Entwicklungen er beobachtet, wie er verschiedene aktuelle Themen bewertet und wie sein Sales-Team mit dem unvermeidbaren Wandel umgeht.
SCHWERPUNKT DES US-MARKTS
Mr. Goodin, wie beurteilen Sie den aktuellen Status des US-Markts in Bezug auf die Fertigung mit Schwerpunkt CNC-Fertigung bzw. -Zerspanung bzw. 4- und 5-Achs-Bearbeitungszentren?
Insgesamt zeigt sich der Markt der verarbeitenden Industrie in den USA trotz einer Reihe globaler Einflussfaktoren weiterhin stark. Die Aufträge für Werkzeugmaschinen stiegen im vierten Quartal 2021 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 59 Prozent. Wir sehen Anzeichen für anhaltendes Wachstum im ersten Quartal, wobei die Branchenführer für das Jahr 2022 einen Anstieg der Aufträge bei den Werkzeugmaschinen um fast 10 Prozent erwarten.
Wir sehen große Chancen im Segment „Heavy Duty Automotive“, insbesondere bei den Herstellern von Verbrennungsmotoren für den Straßen- und Geländeeinsatz, die sich auf die Anforderungen des Modelljahres 2027 vorbereiten. Wir gehen davon aus, dass die Investitionen in diesem Segment weitergehen werden – wobei die künftige Flexibilität der Ausrüstung im Auge behalten werden muss, da die Volumentrends bei den Verbrennungsmotoren über das Jahr 2027 hinaus ungewiss bleiben. Darüber hinaus sehen wir ein starkes Bedürfnis, bestehende Anlagen nach Möglichkeit anderweitig einzusetzen. Dies erfordert eine starke Fokussierung auf technische Prozesse und Anbieter, die ihre Fähigkeit zur Entwicklung von Hybridlösungen – also Umnutzungen mit einem bestimmten Anteil neuer Ausrüstung – unter Beweis stellen können. Im Segment „Light Duty Automotive“ konzentrieren sich die Automobilhersteller und Zulieferer stark auf die Elektrifizierung. Diese wurde weithin vermarktet und führte dazu, dass nur minimale Investitionen für die Bearbeitungsausrüstung im Bereich der Verbrennerantriebe genehmigt wurden. Während die Automobilhersteller ihren Weg in die Zukunft ausloten, liegt auch hier der Schwerpunkt auf der Wiederverwendung bestehender Anlagen, was zu einer Reduzierung im Bereich der Neumaschinen führt, aber auch Möglichkeiten für Umrüstungen und Aftermarket-Support eröffnet.
In den Branchen außerhalb der Automotive-Industrie wie z. B. Maschinenbau, Elektroindustrie, Öl und Gas und Aerospace steigen die Produktivitätsanforderungen in allen Bearbeitungssegmenten weiter an. Dazu gehört auch die Forderung nach erhöhter Flexibilität, insbesondere dort, wo die Volumina bestimmter Produkte noch nicht endgültig festgelegt sind. Bei Lohnfertigern beispielsweise, die traditionell 4-Achs-CNC-Maschinen gekauft haben, verlagert sich der Kauftrend in Richtung 5-Achs-Maschinen. Die Marktdaten für das Volumen an 5-Achs-CNC-Maschinen zeigen eine kumulierte jährliche Wachstumsrate von mehr als 5,5 Prozent bis zum Jahr 2025.
Welche Veränderungen beobachten Sie bereits am Markt – und welche erwarten Sie in Zukunft?
Das Anfragevolumen für 5-Achs-CNC-Maschinen bei HELLER USA macht 90 Prozent der Gesamtanfragen aus. Wir sehen gemischte Geschäftsperspektiven, mit Fällen, die eine komplette simultane 5-Achs-Bearbeitung erfordern, und anderen, die nur eine 3+2-Achs-Bearbeitung benötigen, um die Anzahl der Aufspannungen zu reduzieren.
In welchen Märkten sehen Sie das größte Wachstumspotenzial für HELLER in den USA?
Mit dem Ausbau unseres Angebots im Bereich der 5-Achs-Bearbeitung in den USA ergeben sich neue Möglichkeiten in Aerospace sowie im Werkzeug- und Formenbau. In diesen Bereichen ist weiterhin ein moderates Wachstum zu verzeichnen, jedoch sind unsere Chancen, Marktanteile zu gewinnen, beträchtlich. Der Markt im Bereich Lohnfertigung bleibt stark. Da wir in der Lage sind, die konstruktiven Vorteile der Maschinen von HELLER in Verbindung mit dem Mehrwert unserer Prozesse aufzuzeigen, können wir eine solide Basis im Bereich der Schwerzerspanung und/oder Präzisionsanwendungen aufbauen. Schließlich bietet der Öl- und Gassektor erhebliche Wachstumschancen, da die weltweiten politischen Umstände und die Politik den Ölpreis weiter in die Höhe treiben und sich die traditionelle Lieferkette für Öl verändert.
Welche Anforderungen stellen die Kunden an eine moderne Produktion?
Die Kundenerwartungen sind in den verschiedenen Segmenten unterschiedlich, es gibt jedoch ein gemeinsames Thema: die Steigerung von Produktivit.t und Leistung. Die Kunden sind stets auf der Suche nach mehr Leistungsfähigkeit und Flexibilität, da deren Kunden nur begrenzte Mengengarantien geben und ständig nach Kostensenkungen verlangen.
Wie sehen Sie den künftigen Umsatz mit Maschinen ohne technologische Applikation im Vergleich zu Maschinen mit Automatisierung und Maschinen mit Prozess- und Technologieanwendungen?
Klar ist, dass der Markt eine Mischung von Lösungen aus Maschinen ohne Applikation und Fertigungslösungen mit Applikationstechnologie nachfragen wird. Aus meiner Sicht beginnt HELLER hier mit einem Verhältnis von 70:30, d. h. 70 Prozent des Umsatzes werden mit der Kombination aus Maschine und Applikation erzielt. Gegenwärtig genießen wir einen guten Ruf bei Bearbeitungslinien für die Großserienfertigung und sind in der Fertigung von Verbrenner- und Antriebsstrangkomponenten sehr bekannt. Mit dem Vordringen in Märkte, auf die wir uns in den USA bislang nur in begrenztem Umfang konzentriert haben, müssen wir unsere technischen Vorteile sowohl beim Maschinenkonzept als auch bei der Prozessfähigkeit unter Beweis stellen. Sobald wir im Markt ein entsprechendes Profil haben, wird der künftige Umsatz wohl eher ein Verhältnis von 50:50 aus Maschinen ohne Applikation und Komplettlösungen aufweisen.
Inwieweit wird Ihrer Meinung nach die Digitalisierung eine Rolle bei den künftigen Verkaufszahlen spielen?
Die Digitalisierung wird in den kommenden fünf Jahren immer stärker an Bedeutung gewinnen. Wir stellen immer wieder fest, dass unsere Kunden Schwierigkeiten haben, Mitarbeiter mit „überliefertem Wissen“ in der Bearbeitung zu halten.
Die Unternehmen konzentrieren sich häufig auf den Durchsatz und müssen Automatisierungslösungen und andere Technologien integrieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die nächste Generation von Maschinenbedienern und -besitzern wird sich mehr darauf verlassen, dass der Maschinenhersteller ihnen wichtige Informationen zur Verfügung stellt. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass solche Informationen und Erkenntnisse in unsere Produkte einfließen und sich mit den steigenden Anforderungen unserer Kunden weiterentwickeln. Ob es sich nun um eine einfache Mitteilung über eine fällige Wartung handelt oder um eine komplexe Vorhersage des Werkzeugverschleißes anhand von Live-Messungen während der Bearbeitung: Die Erstellung und Verwaltung von Informationen entscheidet über Erfolg und Misserfolg.
Sehen Sie das Umsatzwachstum der HELLER Werkzeugmaschinen in den USA eher bei den universellen 5-Achs-Maschinen oder den traditionellen 4-Achs-Bearbeitungszentren? Und warum ist das so?
Unser derzeitiger Gesamtmix (einschließlich Projektgeschäft) zeigt eine Nachfrage bzw. einen Bedarf von ca. 60 Prozent bei den 5-Achs-Maschinen gegenüber 40 Prozent bei den 4-Achs-Zentren. In unserem traditionellen Projektgeschäft ist die Verschiebung von 4- zu 5-Achs-Bearbeitungszentren in erster Linie auf die Notwendigkeit zurückzuführen, die Kapazität der Bearbeitungslinie flexibel zu halten. Im Bereich der Universalbearbeitung entspricht die starke Nachfrage nach 5-Achs-Maschinen den Anforderungen des Marktsegments. Die 5-Achs-Maschinen von HELLER sind wettbewerbsfähig und bieten eine starke Kombination aus Leistungsfähigkeit und Qualität, die es uns ermöglichen wird, Marktanteile zu gewinnen.
Gewähren Sie unseren Leserinnen und Lesern einen Einblick in Ihre Gedanken …
… zu aktuellen Problemen der Lieferkette
Die globalen Lieferkettenprobleme sind nach wie vor schwer zu bewältigen. Glücklicherweise hat HELLER sein Bestandsmaschinenprogramm für die Baureihe HF ins Leben gerufen, um Maschinen des Typs HF 3500 und HF 5500 mit festgelegter Konfiguration vorzufertigen und so die Lieferzeiten zu verkürzen.
… zur aktuellen Wettbewerbssituation
Die Probleme in der Lieferkette bereiten auch unseren Wettbewerbern Schwierigkeiten. In einigen Fällen sind diese viel schlimmer als das, was wir gerade erleben. Dadurch öffnet sich auch der Markt, da die Kunden nach Möglichkeiten suchen, schneller an Maschinen zu gelangen.
… zum Wandel in der Automobilindustrie
Die Automobilhersteller treiben die Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektroantriebe voran, was dazu führt, dass sie sich in ihren Unternehmen verstärkt auf die Wiederverwendung bzw. den Wiedereinsatz vorhandener Anlagen konzentrieren. Dadurch hat sich das Volumen bei den CNC-Neumaschinen erheblich reduziert und gleichzeitig die Abhängigkeit von bestehenden Lieferanten erhöht, um die technische Umstellung zu bewältigen und die Prozesse für die Fertigung der neuen Komponenten für Elektrofahrzeuge zu entwickeln. Obwohl die Umstellung auf Elektrofahrzeuge weiterhin ein wichtiges Thema ist, wurden die Prognosen für den Marktanteil von Elektrofahrzeugen bis zum Jahr 2025 gegenüber früheren Prognosen von 44 Prozent auf 27 Prozent gesenkt. Ich glaube, dass es auf dem US-Markt noch für einige Zeit ein Gleichgewicht zwischen Elektrofahrzeugen, Hybriden und Verbrennungsmotoren geben wird. Wie hoch der Marktanteil der E-Fahrzeuge in den kommenden 15 Jahren sein wird, hängt stark von der Infrastruktur in den USA und letztlich von der Nachfrage der Verbraucher ab.
UMSATZWACHSTUM IN DEN USA
Was tut HELLER Machine Tools, um den Umsatz in den USA zu steigern?
HELLER hat eine Strategie entwickelt, um unseren Umsatz in den USA zu steigern und sicherzustellen, dass wir die Erfolgsfaktoren, die wir uns aufgebaut haben, behalten: Produkte, Partner, Mitarbeiter, Prozesse und Marketing.
Zum Faktor Produkte: HELLER verfügt über ein umfangreiches Angebot an horizontalen 4-Achs- und 5-Achs-Bearbeitungszentren mit einer Vielzahl von Konfigurationen, die den Marktanforderungen entsprechen. Darüber hinaus bietet HELLER spezielle Lösungen für eine Vielzahl von Anwendungen wie die Bearbeitung von Kurbelwellen oder die Beschichtung von Zylinderbohrungen an. Wir haben Jahr für Jahr neue Entwicklungen vorangetrieben, indem wir auf bestehenden Erfahrungen aufgebaut und auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingegangen sind. So profitieren unsere 5-achsigen HF-Maschinen der zweiten Generation von der neuesten Technologie und verbinden ein hohes Maß an Produktivität und Zuverlässigkeit mit der kontinuierlichen Verbesserung bisheriger Eigenschaften. Mit der Markteinführung der HF Gen2 hier in den USA bieten wir nun auch Mill/Turn-Optionen an.
Im Jahr 2022 gab HELLER USA den Startschuss für unser „HF Stock Machine Program“ mit Bestandsmaschinen der Baureihe HF. Diese Initiative wurde ins Leben gerufen, um die Vorlaufzeit für Maschinenlieferungen zu verkürzen, dem Markt kosteneffiziente Lösungen anzubieten und den Marktanteil in Märkten zu erhöhen, die wir bisher traditionell nicht anvisiert hatten.
Zum Faktor Partner: Im Januar 2022 trafen wir uns mit unseren strategischen Vertriebspartnern bei HELLER USA, um den offiziellen Startschuss für unser Geschäft im Bereich der Universalbearbeitung zu geben, unseren Fokus auf den Ausbau unseres Marktanteils zu legen und unser Engagement für unsere Vertriebspartner zu bekräftigen. Während dieses Kickoffs haben wir wichtige strategische Investitionen vorgestellt. Dazu zählt das zuvor erwähnte Programm für Bestandsmaschinen der Baureihe HF, aber auch die Investition in den Bau eines Technologiezentrums sowie in eine HF mit Fräs-/Drehfunktion, eine CP 6000 und einen Rundpalettenspeicher der HELLER Tochter STS, die für Demo-Bearbeitungen, Prozessentwicklungen und Versuche genutzt werden sollen.
Zum Faktor Mitarbeiter: HELLER hat in den Aufbau der passenden Organisationsstruktur und Fähigkeiten entsprechend unseren allgemeinen strategischen Prioritäten investiert. Wir haben die USA in vier Regionen unterteilt und werden für jede Region einen Regional Field Sales Manager (RFSM) ernennen.
Im Technologiezentrum haben wir mit Alexander Tretnjak einen Leiter für das Technologiezentrum eingestellt. Im Laufe dieses Jahres werden wir einen weiteren Anwendungstechniker sowie einen Werkzeugspezialisten einstellen, um die Kapazität zu erhöhen.
Angesichts des gestiegenen Geschäftsvolumens im Bereich der Universalbearbeitung werden wir auch einen Vertriebsingenieur einstellen. Dieser wird das Vertriebsteam unterstützen und als interner Ansprechpartner für Vertriebspartner und/oder Kunden fungieren, um interne Aktivitäten zu koordinieren und die Effizienz unseres Angebots- und Nachverfolgungsprozesses zu verbessern.
Um das hohe Serviceniveau beizubehalten und da wir regionales Wachstum erwarten, stellen wir drei regionale Servicetechniker ein. Im Jahr 2022 hat HELLER USA außerdem bereits unser lokales Ausbildungsprogramm neu gestartet und drei neue Auszubildende eingestellt.
Zum Faktor Prozesse: Da wir fokussiert in das Universalmaschinengeschäft vordringen, muss HELLER den Anwendungsschwerpunkt ändern. Im Bereich der Universalbearbeitung fokussieren wir uns darauf, sämtliche Vorteile von HELLER in Marktsegmente zu bringen, die wir in den USA bisher traditionell nicht anvisiert haben. Infolgedessen investieren wir auch in zusätzliche Ressourcen, um Technik- und Prozessunterstützung für unser Verkaufsteam und unsere Vertriebspartner zu leisten. HELLER hat fünf Anwendungstechniker aus Deutschland abgestellt, die in den USA bleiben und die Verkaufsinitiativen unterstützen. Sie werden mit den Vertriebsmitarbeitern Kunden besuchen und Möglichkeiten prüfen, um die am besten geeignete Maschine bzw. den am besten geeigneten Prozess für den Bearbeitungsbedarf zu ermitteln.
Zum Faktor Marketing: Neben unseren gemeinsamen Marketingaktivitäten mit unseren Vertriebspartnern wird HELLER auch an der IMTS 2022 vom 12. bis 17. September in Chicago/Illinois teilnehmen.
HELLER wird die HF 5500 Mill/Turn Gen2 sowie die CP 6000 und einen Rundpalettenspeicher von STS ausstellen und während der Messe Bearbeitungsvorführungen durchführen. Unser Ziel für die Messe ist es, den Bereich der Universalbearbeitung voranzutreiben und zu zeigen, dass HELLER über die richtige Ausrüstung, Erfahrung und Fähigkeit für hochpräzise, hochproduktive Anwendungen in allen Industriesegmenten verfügt und sich nicht ausschließlich auf den Automobilmarkt konzentriert.
Kenneth Goodin